Art meets Science
Michael Buckler
Art meets Science
Michael Buckler
Interaktive Kunst
SpielBilder
Prof. Bazon Brock
'SpielBilder', Mai 1977
Einführung zur Ausstellung
Galerie Bornhold, Hamburg
Nicht nur Spielmaterial
Als Michael Buckler vor einigen Wochen Fachleuten und Kunstsammlern die ersten fertigen Exemplare seiner SpielBilder vorführte, zeigte sich eine überraschende Reaktion: nämlich allgemeine Begeisterung.
Solche vorbehaltlose Zustimmung ist deshalb überraschend, weil Fachleute und Sammler über Jahre hin auf analoge Versuche anderer Künstler mit äußerster Zurückhaltung reagiert hatten: Die Qualität der Drucke blieb weit hinter der von Originalgrafiken zurück; das Material der Bildträger war zu anfällig; und schließlich überzeugten die Konzepte nicht, denn die bisher angebotenen Bild-Programme waren auf geometrische Formen-Repertoires beschränkt. Selbst Vasarély's weltweites Rénommée konnte seinen SpielBildern nicht zur Anerkennung verhelfen. Gerstners oder Tinguely's Versuche, die Bild-Programme durch mechanischen Antrieb permanent variabel zu halten, blieben Rand-Erscheinungen, da in ihren Angeboten die Kooperation von Bildmaschine und Betrachteraktivität zu sehr von den Bildmaschinen beherrscht wurde.
Prof. Dietmar Kamper
'psychologie heute'
Beltz Verlag, 4. Jhrg. 1977
Heft 12, S. 68-74
SpielBilder von Michael Buckler
„Ich habe daran gedacht, ein Bild zu malen, das eine Art Falle ist...“ schrieb René Magritte. Der Künstler Michael Buckler hat einen Teil dieser Idee verwirklicht. Seine Spiel-Bilder laden die Hände zum Greifen und die Augen zum Begreifen ein.
Zuerst möchte man darüberhinwegsehen. Sie springen nicht gleich ins Auge: die SpielBilder von Michael Buckler. Man wittert die Mühe, die man mit dem „Modernen“ in der Kunst hat. Dann kommt von irgendwo der Zuruf: die Figuren der Bilder sind beweglich, man kann mit ihnen spielen! – was ein zaghaftes Probieren auslöst, ein Verschieben, Vertauschen, Verwechseln der Elemente. Aber man bleibt noch im Bild, kostet vielleicht die Macht der puren Verkehrung aus: Mann im Kopfstand auf einer Blattspitze, Frau permanent vom Stuhl stürzend, Balance eines Tellers auf einem Apfel und so fort.
Der Rückfrage schließt man sich an: darf man auch von einem Bild zum anderen…? Wenn man es versucht, passieren einem in kurzer Zeit derart verwirrende Kombinationen in so großer Zahl (zum Beispiel Mann im Teller auf dem Stuhl der Frau oder Apfel im Rahmen am Ende des Weges oder Frau mit Zollstock über Teller schwebend), daß man in der Verwirrung das Spiel erst einmal aufgibt, um – möglicherweise – über seine Regeln nachzudenken.
Die Möglichkeit des Eingriffs setzt den Anfang. Der Künstler hat auf die Fertigstellung des Bildes verzichtet. Das letzte Stück Wegs zum fertigen Bild kann (und soll) der Betrachter selbst – und zwar spielend – zurücklegen. Die Spielprobe macht Spaß. Die Hand kann das Auge verwirren. Das Auge im Vorgriff ermuntert die Hand zu immer neuen Streichen. Noch hat man die Ambivalenz von eigener Macht und resultierender „Verrücktheit“ der Bilder einigermaßen im Griff.
Ästhetischer Kontext.
Die SpielBilder von Michael Buckler stellen drei verschiedene Modalitäten des von Menschen erfahrenen Raumes (Außenraum, Innenraum, Dingraum) mit jeweils drei Figuren zusammen, die in diesem Raum frei beweglich sind. Zum Außenraum (= Landschaft) „gehören“ ein Mann, ein Blatt, ein Würfel; zum Innenraum (= Zimmer) eine Frau, ein Stuhl, ein Rahmen; zum Dingraum (= Tischtuch) ein Apfel, ein Teller, ein Zollstock.
Was also das dargestellte Sujet angeht, handelt es sich um drei der wichtigsten Traditionsbestände der abendländischen Tafelmalerei: um das Landschaftsbild, um das Interieur, um das Stilleben (das in Frankreich beziehungsreich „nature morte“ heißt). Auch deren Bedeutungskonstellationen bleiben – so betrachtet – stereotyp konventionell: der Mann draußen, gehend auf dem Weg in eine offene, unheimliche Welt; die Frau drinnen im geschlossenen Heim, stehend (wartend ?); die Dinge auf Tüchern und in Schalen verwahrt.
Aber jedes Bild hat schon von sich her eine gespannte bis gestörte Beziehung zu dieser Tradition. Auf dem Stilleben erscheint neben den gängigen Elementen (Apfel und Teller) auch ein Maß-Stab, der nicht dazu passt, sich darüber hinaus wegen der kräftigen Farbe geradezu vordrängt. Das Interieur ist bis auf ein Minimum zeichenhafter Andeutung reduziert: von der Pracht herkömmlicher Innenausstattung blieb nur ein Stuhl; der Bilderrahmen ist leer; die Frau wendet sich in ihrer Haltung nach draußen, das heißt gegen die kahlen, fensterlosen Wände. Am meisten ver-rückt ist das Landschaftsbild: Dem Mann, der auf einem Feldweg durch eine Wiese vom Betrachter weggeht, ist ein Blatt (in Naturgröße und -Farbe) und ein geometrisch exakt gefertigter grauer Kubus beigegeben, also kein Bach, kein Strauch, kein Baum, kein Tier, kein Haus.
Zwar können die Bilder auch anhand der Größenverhältnisse noch als traditionell bestimmt und als Variationen einer einzigen Raumerfahrung (nämlich der neuzeitlichen) betrachtet werden: Die „nature morte“ des Apfels, des Tellers, des Zollstocks auf dem karierten Tischtuch hat „Naturgröße“; das Zimmer innen ist durchgehend proportional verkleinert; doch schon das Landschaftsbild hat eine verstörte Ordnung: in ihm taucht das „naturgetreue“ Blatt auf, das auch der Farbe nach dem Dingraum zugehört, und der Würfel, der keiner konkreten Maßordnung unterliegt, aber wegen seiner tristen Außenansicht aus dem abgeblaßten Innenraum stammen könnte, in dem die Frau lebt.
Damit ist vom Künstler selbst das Prinzip formuliert, das das Spiel über den einzelnen Bild-Rahmen hinaus – und hinüberspringen läßt. Von der Verwirrung der Größenverhältnisse her kann alles andere durcheinandergebracht werden: die Zusammengehörigkeit der Elemente, Ding und Mensch, Abstraktes und Konkretes, Innen und Außen, erst recht die damit verknüpften Bedeutungen. Einmal herausgefordert, schafft es eine zunächst unbestimmte Kombinatorik, die von der Hand ausgeht, die bestimmte Semiotik, die das Auge an traditionelle und konventionelle Sehweisen fesselt, in Mitleidenschaft zu ziehen. Das schwindelerregende Probespiel verletzt die Erfahrungs- und Orientierungs-Gewohnheiten. Hier droht einerseits die Ermüdung, wie sich andererseits die Notwendigkeit einer Verständigung über die Situation einstellt.
Kombinatorik gegen Semiotik. Man muß davon ausgehen, daß das Auge der Zeitgenossen vergittert ist, daß es durch zuviel Wissen nicht mehr sensibel reagiert. Zwar fallen noch Licht und Schatten ein, Thema und Umriß, Figur und Perspektive, aber das Außen wird nicht mehr wahrgenommen. Auch die Sinnkonstrukte mit ihren Bedeutungsnuancen, an der Jahrhunderte der menschlichen Vergesellschaftung gearbeitet haben, nicht zuletzt die europäische Tafelmalerei selbst, gehören zum „Gitter-Werk“ dazu.
Sie umstellen den Blick, fesseln die Wahrnehmung an Vordefiniertes und schließen fast jeden Erwachsenen in eine Welt ein, die fix und fertig ist wie ein Gefängnis. Es herrscht die Wüste der Abstraktionen. Es blendet von innen. Sehen ist nicht mehr Wahrnehmen, sondern eine über die Zurichtung der Sinnesorgane wirksame Isolationsfolter, die stereotyp in tausendfacher Wiederholung einen identischen Autismus der Individuen vervollständigt, die Lehre von der Monade – zu Beginn der Neuzeit entworfen – empirisch bewahrheitend. Sinnestäuschung ist durch abstrakte „Sinngebung“ ohne Rücksicht auf die Besonderheiten des Lebens konstitutiv geworden.
Eine auf Totalität drängende Subsumtion der Sinnlichkeit unter den einzigen „Sinn“ der Verwertung von allem und jedem trennt die Menschen von ihrer Realität und macht sie für Zwecke gefügig, von denen sie sich als Eingeschlossene nichts träumen lassen können. Seitdem ist der Streit um den Vorrang von Wirklichkeit und Illusion entschieden.
Ohne die entschiedene Instanz der nicht verkümmerten Sinne bleibt Realität fiktiv, ist die verallgemeinerte Fiktion die einzige Realität.
Als materiellen Beleg für eine solche fiktive Realität beziehungsweise reale Fiktion, die zudem noch „zwingenden“ Charakter hat, kann man die organisierte Bilderflut der Moderne angeben. Die schier totale Obsession des Blickes durch Werbung, Illustrierte, Film und Fernsehen signalisiert die Herrschaft fabrizierter Bedeutungsmuster, die Macht einer normalisierten und normalisierenden Semiotik, die nicht nur diskrepante Erfahrungen beibiegt, sondern alternative Schemata, sofern sie abstrakt entgegengesetzt sind, geradewegs toleriert. Von daher stammt die Schwierigkeit einer sinnlichen Kritik an der Entsinnlichung.
Erfahrung des Außen.
Bei dem Versuch, sich über diesen Prozeß der Abstraktion, der die menschliche Welt unter das Diktat einer totalen Immanenz stellt, Rechenschaft abzulegen, ist auch die Kunst, besonders die Malerei beteiligt gewesen. Ob nun auf dem Weg einer verzweifelten Vorwegnahme der auf immanente Denkstrukturen reduzierten Erfahrung oder durch reflexive Brechung der mit Hilfe der Menschen selbst betriebenen Zerstörung der menschlichen Natur,
in jedem Fall stand der künstlerische Prozeß unter der besonderen Belastung eines kontinuierlichen Schwindens genau der Erfahrung, der er entspringt und auf die er angewiesen ist. Was Wunder, daß seit dem Ende der „auratischen Kunst“ (Benjamin) die gemeinte Anstrengung nach Art eines Wettlaufs um Leben und Tod vor sich geht, zunehmend zum Dokument der Unmöglichkeit von Kunst gerät. Der Rückweg zur Wahrnehmung, zu einer Erfahrung des Außen, scheint damit verbaut zu sein.
Daß die Malerei unter solchen Bedingungen in einer besonderen Krise steckt, hat mit der ausserordentlichen Rolle des Auges zu tun: es ist das herrscherliche Sinnesorgan schlechthin, das für eine Unterwerfung des Objektiven unerläßliche Organ-Subjekt, aber auch das für Illusion und Einbildungen anfälligste, das am ehesten düpiert werden kann. Ohne die tastende Hand, die begreift, ist es den Täuschungen geradezu ausgeliefert. Also kam es bei der systematischen Zerstörung der Sinnlichkeit darauf an, Auge und Hand zu trennen. In der Tradition der Tafelbilder seit dem Ausgang des Mittelalters geht diese Trennung vor sich, wird die subjektive Weltaneignung in den getrennten Erfahrungsräumen zunehmend illusionär, widerruft das Subjekt „Auge“ ironisch seine eingebildete konstitutive Rolle, zunächst durch Verzicht auf die Allgemeinheit des Sehens, dann auch die dargestellte Reflexion der fesselnden Sehgesetze, schließlich durch eine Selbstkritik in Form der Desavouierung seiner Herrschaftsfunktion.
Indem das Sehen auf seine Allgemeinheit verzichtet – zum Zeitpunkt der Entsakralisierung der Malerei – wird die Interpretation der jeweiligen Bedeutung des Gesehenen erforderlich. Das führt langfristig zur Verdoppelung von Sachverhalten in Bild und Wort. Die Theorie der Kunst und die Kunstgeschichte entstehen; die schließlich überbordende Macht des Kommentars nimmt hier seinen Anfang, wirkt auf mannigfaltige Weise zurück und schafft jene internalisierte Semiotik der Experten, von der die Kunst sich bis auf den heutigen Tag nicht mehr hat emanzipieren können. Sie versucht es in der Malerei (im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert) durch Thematisierung ihrer Arbeitsweise, indem sie sich als Medium der Wahrnehmung reflektiert und diese Reflexion noch einmal auf die Leinwand bringt, die aber bald unter solcher Belastung „zerreißt“ (vergleiche die Ritualisierung solcher „Risse“ in happenings und performances).
Einen anderen Weg wählen die Surrealisten (schon mitten im 20. Jahrhundert): Sie geben zu denken, indem sie die von der traditionellen Malerei mitbewirkten Gesetzmäßigkeiten des Sehens, die Sehgewohnheiten, die alles andere als natürlich sind, durcheinanderbringen: bewußt gegen die Perspektive (eine noch junge Errungenschaft des Auges) verstoßen, die Ordnungen der Dinge und Menschen (erst seit wenigen Jahrhunderten geübt und angeeignet) verwirren, vor allem aber die Bedeutungslehren, die „Codices“ aus der puren Immanenz der korrupten sinnlos-entsinnlichten Erfahrung eröffnen.
Auge und Hand. Die Rekonstruktion der Anthropogenese hat eine für die menschliche Wahrnehmung fundamental-konstitutive Bedeutung des Auge-Hand-Feldes erwiesen. Wahrnehmung ist nicht mehr bloß Rezeption, sondern eine Mischung von Sehen und Handeln, von Anschauung und Begriff, von Auge und Hand. Sie funktioniert auf die Dauer nur unter der Bedingung des Eingriffs in das Sehfeld und der Sichtbarkeit des Handlungsfeldes.
Entsprechend ist die wahrgenommene Ordnung der Dinge im Raum nur als Ergebnis gesellschaftlicher Anstrengungen zu verstehen, in langfristigen Epochen des tätigen und leidenden Umgangs mit Dingen und Menschen hervorgebracht. Seit einigen Jahrzehnten wird diese Ordnung rückwärts buchstabiert, nicht zuletzt deswegen, weil ihre geringe Belastbarkeit in einer unproduktiven Zeit Rätsel aufgibt.
Denn in die fix-und-fertige Welt des normalen Mitteleuropäers ist Bedrohliches eingebrochen. Die Ordnung hält nicht: hinter den verordneten Sinnkonstrukten lauert der Wahnsinn; die Apparate der Verwertung beginnen leer zu laufen; ein irrer Aufstand gegen die Entsinnlichung des Menschen und der Welt hat begonnen; die noch immer fortschreitende Subsumtion des Besonderen unter das Allgemeine stößt zunehmend auf Blockaden; schon auf der Oberfläche passen die Dinge nicht mehr zusammen und in den Raum; die Wohnungsinterieurs verkümmern zu Projektionsstaffagen; die Landschafts-Regionen stehen gegen die Zentralisierung auf; eine eigenartig subversive Wirkung geht von den nach-modernen Künsten aus; die radikale Spaltung der menschlichen Erfahrung zwingt schließlich über alle Denkgewohnheiten, Disziplinen und Fächer hinweg zur Verständigung über die Ausmaße der Zerstörung.
Wo einem das Sehen und das Hören so vollständig vergangen sind, muß versuchsweise gehandelt und über das Probe-Handeln gesprochen werden. Die Kontext-Abhängigkeit der reduzierten Sinne ist so massiv, daß Quer-Köpfe allein nicht genügen. Es bedarf inkommensurabler Handlungen, sowohl im Ernst als zum Spaß. Überhaupt sollte man sich des Spielens erinnern. Im Spiel liegt eine der wenigen rekreativen Quellen für die unbeschnittene Produktivität menschlicher Sinne. Kontextsprengende Kombinatorik kann deshalb auf das Spielen der Hände zurückgreifen, ohne sich vorab des Sinns vergewissern zu müssen. Gleichwohl verunsichert die Rückbindung des Auges an die Hand noch immer derart, daß nur gemeinsame Anstrengungen erfolgversprechend sind. Allzuoft bleiben Einzelne, auch Künstler, in der Angst um ihre Identität auf der Strecke, eingeholt von der Macht der Semiotik.
Nach allem ist es keine Frage mehr, daß der Schritt, den der Künstler Buckler macht, den abgesteckten Bereich der festgelegten Bedeutung einer fiktiven Realität beziehungsweise einer realen Fiktion verläßt. Damit ist aber gleichzeitig der Bereich der „Kunst“ im Sinne eines vom Einzelnen verantworteten Tuns verlassen. Er führt dahin, wo nach Möglichkeit alle mitspielen können.
Allerdings ist eine Wiedergewinnung der Wahrnehmung aller im Hinblick auf die SpielBilder Michael Bucklers „überschüssig“. Die angezielte Transzendenz der Erfahrung transzendiert auch die Bildfläche, auf der die Hand dem Auge seine Streiche spielt. Es muß mitgesehen werden, daß die Hand hier zwangsläufig mit Gesehenem spielt, mit Figuren, die aus dem Sichtbaren, dem die Kritik gilt, ausgeschnitten sind. Der in dreifacher Modalität vorhandene Raum ist zur Fläche gemacht, ist verkürzt um die Tiefe, die das Spiel als Kombinatorik letztlich nötig hat.
Tafelbilder, auch noch die hier thematisierten SpielBilder, stehen prinzipiell unter Rahmenzwang; Rahmen aber sind gemessen an dem, was auf dem Spiel steht, Reduktionen der Raumkomplexität nach Maßgabe des Auges. So können die Bilder, die, indem man mit ihnen spielt, einem mitspielen, bestenfalls Markierungen einer Grenze abgeben, die zuerst die Hand und dann das Auge der Menschen rückwärts überschreiten müssen. Ohne eine solche einschränkende Relativierung ihrer Funktion, wären sie (wie einige der klügsten Bilder Magritte's) bloß werbewirksam, das heißt angeschlossen an die Verwertungsmaschinerie, gegen die sie auf der Ebene der Intentionalität opponieren. Deshalb sind es nicht die Bilder, die die Grenze wirklich überschreiten. Eine Überschreitung der Grenze in Wirklichkeit kann nur durch spielende Menschen geschehen. Aber diese Menschen brauchen Weg-Weiser wie die SpielBilder des Michael Buckler.
Dietmar Kamper
Universitätsarchiv Freie Universität Berlin Findbuch – Prof. D. Kamper: Über die SpielBilder von Michael Buckler, S. 50 u. 92
www.fu-berlin.uniarchiv.findbuch.kamper.pdf
www.cultd.net/kamper/texte/autor.htm
www.cultd.eu/kamper/texte/buckler.htm
Mit freundlicher Genehmigung der Textrechte-Inhaberinnen Solveig Kamper und Signe Kamper
Die Zustimmung zu Michael Buckler´s SpielBildern zeigt, daß ihm zum einen die Vermeidung der Mängel gelungen ist (Druck- und Materialqualität sind erstklassig) und daß er vor allem eine neue Konzeption anbietet: der Benutzer wird in die Lage versetzt, tatsächlich selbständig Bilder zu erzeugen, die über Resultate von Gestaltungskursen für do-it-yourself Hobbyisten hinausgehen. Aufgrund überlieferter Aussagen von René Magritte läßt sich die Vermutung begründen, Buckler´s Arbeiten seien derart gut konzipiert, daß sie bis ins Zentrum Magritte'scher Bildkonzeptionen vorstoßen – und das will etwas heißen; ja, es scheint so zu sein, daß Buckler hier das Magritte'sche Verfahren der Bilderzeugung nicht nur thematisiert, sondern auch nachvollziehbar werden läßt. Das Magritte'sche Verfahren besteht im wesentlichen darin, den Bedeutungs-Zusammenhang, in dem ein Bildelement in den Erwartungen und Vorstellungen der Betrachter besteht, und den Gestaltungszusammenhang, in den ein Bild-Element durch die Arbeit des Künstlers gestellt wurde, Schritt für Schritt, also experimentell gegeneinander zu verschieben.
SpielBild ’Denkpause’, 1977
24 farb.Siebdruck auf Papier, Metall
und Magnetfolie, 70 x 57 cm
Diese Balance asynchroner Bedeutung und Gestaltung der Bildelemente immer erneut herzustellen, fordern Buckler's SpielBilder den Bildnutzer heraus. Seine Eingriffe bleiben nicht willkürlich, sondern werden – selbst wenn ihm die Bedeutungszusammenhänge von Bildelementen nicht bewußt sind – von seiner Vorstellung gesteuert. Deshalb muß es für die Bildnutzer von Interesse sein, herauszufinden, welcher Zusammenhang zwischen ihren Befindlichkeiten und Stimmungen einerseits und den von ihnen jeweils neu konzipierten Bildern andererseits bestehen könnte. Dafür allerdings müßte man seine eigene Bildnutzung über einen längeren Zeitraum dokumentieren, indem man Fotos von den einzelnen Bildfindungen herstellt und sie mit Angaben zur jeweiligen Befindlichkeit der Bildnutzer versieht. Solche Feldexperimente, die Künstler uns ermöglichen, sind ganz gewiß nicht weniger bedeutsam und hilfreich als diejenigen der Wissenschaftler, die analoge Verfahren – etwa in der Psychologie – seit langem anwenden. Man muß nur den Mut haben, sich selbst als Bildnutzer ernst zu nehmen, also die Bilder tatsächlich für sich zu nutzen: eine überraschend seltene Fähigkeit heutiger Bildnutzer. Allzu sehr ist man bereit, seine Nutzerinteressen an die Künstler abzutreten; kein Wunder, daß dann selbst hervorragende Kunstwerke wie tote Dekoration an den Wänden verkommen.
Buckler's SpielBilder – ihre Repertoires – sind sinnreich kalkuliert: Die drei variabel verwendbaren Elemente der Bildeinheit sind hinreichend differenziert, um mehrere Bedeutungs-Zusammenhänge zugleich den verschiedensten Bild-nutzern zu erschließen; andererseits sind die variablen Bildelemente zu den invariablen Bildräumen hinreichend einheitlich, um die vielen möglichen Bildfindungen als fertige, abgeschlossene Werke erfahrbar werden zu lassen. Denn darauf kommt es doch auch immer noch an, daß nämlich die einzelnen Bildfindungen der Bildnutzer als selbständige Gestaltungs-Zusammenhänge gesehen werden können; sie sind nicht nur Spielmaterial.
Bazon Brock
Bazon Brock, Ästhetik als Vermittlung
DuMont, 1977, ISBN 3-7701-0671-7
Interaktive Kunst
SpielBilder von Michael Buckler
Art Basel, Ausstellungs-Plakat
SpielBild Edition interactio Verlag, Stuttgart
Trilogie, je 750 Expl.
Variable SpielBild-Elemente
vielfarbiger Siebdruck auf Magnet-Folie
(Der Zollstock in Originalgrösse)
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